Nein zur unnötigen Tierhaltungsinitiative

27.07.2022

Präsident Christoph Hagenbuch erläutert in einem Interview, warum der BVA die Massentierhaltungsinitiative bekämpft. Das Interview erschien in den Mitteilungsblättern des Gewerbeverbands und der Industrie- und Handelskammer.

Sie bekämpfen eine Vorlage, die laut Initiativtext, «den Schutz der Würde des Tiers in der landwirtschaftlichen Tierhaltung», fordert. Das kann doch nicht ihr Ernst sein!
Christoph Hagenbuch: Ich sage Nein zu dieser unnötigen und schädlichen Initiative. Aber selbstverständlich sage ich Ja zu einer optimalen Förderung des Tierwohls in unseren Ställen. Das Wohl der Tiere hat bei uns Landwirtinnen und Landwirten stets oberste Priorität. Wir kümmern uns tagtäglich mit bestem Wissen und Gewissen um sie – auch ohne eine Initiative, die völlig übers Ziel hinausschiesst und sich sogar kontraproduktiv auf das Tierwohl auswirken würde.

Wie kommen Sie denn darauf?
Eine Annahme der Initiative würde dazu führen, dass die Produktion von tierischen Lebensmitteln in der Schweiz massiv eingeschränkt würde. Die Folge: Wir würden viel mehr importieren aus Ländern mit deutlich schlechteren Tierwohlstandards.

Für den Import würden laut den Initianten auch strengere Regeln gelten.
Wie will die Schweiz in fremden Ländern Tierschutzbestimmungen vorschreiben und kontrollieren? Das wäre eine klare Verletzung unserer Verpflichtungen gegenüber der WTO. Viel wahrscheinlicher wäre also ein anderes Szenario: Die Schweiz, das Land mit dem strengsten Tierschutzgesetz, würde im grossen Stil tierische Produkte aus Staaten mit einem deutlich tieferen Tierwohlniveau importieren. Wollen wir das wirklich?

Wie definieren Sie Massentierhaltung?
Ich verwende den Begriff gar nicht, denn es gibt in der Schweiz keine Massentierhaltung. Zudem ist es ein höchst problematischer Begriff. Er ist weder wissenschaftlich noch juristisch definiert. Mit anderen Worten: «Massentierhaltung» ist nicht mehr als ein polemisches Schlagwort, das die Initianten einsetzen.

Die Initianten definieren Massentierhaltung als «Grossbetriebe, bei denen das Tierwohl systematisch verletzt wird».
Im Vergleich zum Ausland ist unsere Landwirtschaft klein strukturiert. In Dänemark hält ein durchschnittlicher Milchbetrieb 200 Milchkühe, in der Schweiz sind es gerade einmal 25. Zudem haben wir weltweit das strengste Tierschutzgesetz, das zudem engmaschig kontrolliert wird.

Aber offensichtlich ist den Konsumentinnen und Konsumenten das Tierwohl sehr wichtig.
Das würde mich als Landwirt sehr freuen. Aber leider sagen die Marktzahlen etwas anderes: Der Verkauf von Label-Fleisch stagniert bei vielen Produkten oder ist gar rückläufig. Das Angebot an besonders tierfreundlich produzierten Lebensmitteln ist in der Schweiz momentan grösser als die Nachfrage. Das führt dazu, dass Label-Produkte, die mit besonders hohen Tierwohlstandards produziert wurden, deklassiert und zum Preis von konventionell produzierter Ware verkauft werden. Die Leidtragenden sind die Landwirte. Sie hatten höhere Produktionskosten für die Label-Ware, bekommen aber nur noch den Preis für konventionelle Ware.

Aber Bio liegt doch voll im Trend!
2020 betrug der Bio-Marktanteil beim Fleisch laut Bio Suisse gerade einmal sechs Prozent. Die Initiative fordert aber 100 Prozent. Die Landwirtschaft würde also gezwungen, völlig am Markt vorbeizuproduzieren. Und die Konsumentinnen und Konsumenten hätten keine Wahlfreiheit mehr. Tierische Lebensmittel würden teurer und das Portemonnaie der Konsumentinnen und Konsumenten durchschnittlich mit rund 2000 Franken Mehrkosten pro Jahr belasten

Finden Sie zum Beispiel Ställe mit über 20’000 Mastpoulets vertretbar?
Ja, denn ich vertraue den Behörden und Spezialisten, die die Höchstbestände für die Nutztierhaltung in der Schweiz festgelegt haben. Die gesetzlich verankerte Obergrenze für die Anzahl Tiere pro Betrieb ist weltweit einzigartig. Zudem stellt eine Studie der Fachorganisation Nutztiergesundheit Schweiz (NTGS) fest, es lasse sich nicht belegen, dass grosse Stallgruppen oder Bestände einen kausalen, negativen Einfluss auf das Tierwohl haben.

Würde in der Schweiz weniger Fleisch konsumiert, profitierten das Tierwohl und das Klima.
Wer glaubt, die Konsumentinnen und Konsumenten zu weniger Fleischkonsum zwingen zu können, indem man die Schweizer Fleischproduzenten schikaniert, hat im Wirtschaftsunterricht geschlafen. Der Markt bestimmt die Produktion und nicht umgekehrt, das gilt auch für die Landwirtschaft. Wenn die Initianten die Bevölkerung zu weniger Fleischkonsum zwingen wollen, müssten sie so ehrlich sein, und eine Initiative für eine Fleischsteuer lancieren – die natürlich absolut chancenlos wäre. Zudem gebe ich zu bedenken, dass die Schweiz ein ausgesprochenes Grasland ist. Rund 80 Prozent unserer Landwirtschafts- und Alpfläche sind Wiesen. Diese Fläche können wir nur als Tierfutter für die Lebensmittelproduktion nutzen.

Sie sehen beim Tierwohl also keinen Handlungsbedarf?
Nein, es gibt keinen Handlungsbedarf. Wir haben bereits weltweit den Spitzenplatz, wenn es um ein strenges Tierschutzgesetz, engmaschige Kontrollen und gesetzlich definierte Höchstbestände geht. Und wir Landwirtinnen und Landwirte haben unseren Berufsstolz und den Ehrgeiz, uns ständig weiterzuentwickeln – auch beim Tierwohl.

Interview: Patrick Schellenberg, BVA