Newsletterserie neue Schätzungsanleitung: Bericht 4 Höhere Ertragswerte - konkrete Konsequenzen

5.04.2018

Aufgrund der Revision der Schätzungsanleitung, welche per 1. April 2018 in Kraft tritt, werden die Ertragswerte um 10 bis 20 % ansteigen. Je nach Umfang des betrieblichen Wohnraums kann der Anstieg weit höher ausfallen. Was sind nun aber die konkreten Auswirkungen dieser Erhöhung?

Landwirtschaftliche Gewerbe werden in der Regel zum Ertragswert an die nachfolgende Generation übertragen. Die Übernahme wird somit für den Hofnachfolger teurer. Er muss für das Land und die Betriebsgebäude einen höheren Preis bezahlen, ohne dass das Einkommenspotenzial des Betriebes zunimmt. Eine Erhöhung des Ertragswertes und somit auch des Kaufpreises ergibt sich insbesondere aus der Bewertung der Zweitwohnung. Diese erfolgt künftig auf der Basis eines ortsüblichen Mietzinses. Sofern die Eltern auf dem Betrieb wohnen bleiben, werden sie dafür einen entsprechend höheren Mietzins bezahlen müssen. Konkret heisst das, sie erhalten zwar mehr für den Betrieb, müssen aber für das Wohnen auf dem Betrieb auch tiefer in die Tasche greifen. Mit dem ‚günstigen Wohnen‘ auf dem Hof ist es somit vorbei. Da sich in Zukunft die Mietkosten auf dem Betrieb nicht mehr allzu sehr von jenen einer ‚fremden‘ Mietwohnung unterscheiden, dürfte die Zahl der Eltern, welche nach der Übergabe den Betrieb verlassen, künftig eher zunehmen. Die Vermietung der Zweitwohnung an Dritte, welche bisher wegen dem Gewinnanspruch heikel war, ist nun problemlos möglich.

Finanzierungsspielraum nimmt zu
Landwirtschaftliche Grundstücke und Gewerbe können maximal bis zur Belastungsgrenze mit Grundpfandschulden belastet werden. Diese liegt in der Regel 35 Prozent über dem Ertragswert. Als Folge der Revision der Ertragswertschätzung wird deshalb auch die Belastungsgrenze deutlich ansteigen. Das Aufstockungspotential für verzinsliche Grundpfandschulden nimmt somit zu. Diese Differenz zwischen der bestehenden Hypothek und der Belastungsgrenze gilt neu als ‚Eigenmittel‘ im Sinne der Strukturverbesserungsverordnung (SVV) vom 7. Dezember 1998. Neu werden Investitionskredite nur noch gewährt, wenn der Gesuchsteller mindestens 15 % der Restkosten mit eigenen Mitteln finanziert. Aus unternehmerischer Sicht ist der Anstieg der Belastungsgrenze zu begrüssen. Sie gibt dem Betriebsleiter die Möglichkeit, betriebliche Investitionen zu einem grösseren Anteil mit zinsgünstigen Hypothekarkrediten zu finanzieren. Aber gerade deswegen ist auch Vorsicht geboten. Der etwas grösser gewordene Finanzierungspielraum soll nicht dazu (ver)führen, vorschnell unüberlegte und unwirtschaftliche Anschaffungen zu tätigen.

Kein Einfluss auf Vermögenssteuer
Landwirtschaftliche Gewerbe werden im Kanton Aargau auf der Grundlage ihres Ertragswertes als Vermögen versteuert. Diesbezüglich verweist die Verordnung über die Bewertung der Grundstücke (VBG) vom 4. November 1985 auf die Schätzungsanleitung vom 25. Oktober 1995. Nachschätzungen der kantonalen Steuerbehörde infolge baulicher Investitionen erfolgen somit noch immer nach den Schätzungsgrundlagen von 1995. Damit die neuen Normen zur Anwendung kämen, bräuchte es deshalb eine entsprechende Verordnungsänderung. Die Höherbewertung der Zweitwohnung auf dem Betrieb bewirkt höhere Miet- oder Wohnrechtszinse für die abtretende Generation (vgl. oben). Diese Mehreinkünfte erhöhen das steuerbare Einkommen des Eigentümers und sind somit steuerwirksam.  

Jörg Mühlebach
Leiter Agrarwirtschaft