Offenlegung von Bächen bleibt umstritten

5.04.2023

Ständerat Hansjörg Knecht wollte dem Erhalt von Kulturland im Rahmen von Offenlegung von Bächen mehr Gewicht geben. Das Anliegen wurde nun abgelehnt, da die Kantone genügend Spielraum signalisierten. Der BVA behält dies im Auge.

Der Revitalisierung von Gewässern wird ein hoher Stellenwert zugeschrieben. Gemäss Art. 38 des Gewässerschutzgesetzes dürfen daher bestehende Eindolungen und Überdeckungen nur ersetzt werden, wenn eine offene Wasserführung nicht möglich ist oder für die landwirtschaftliche Nutzung erhebliche Nachteile mit sich bringt. Diese sehr restriktive Ausnahmebestimmung führt zu zahlreichen Problemen, wie etwa Kulturlandverlusten, zerschnittenen Bewirtschaftungsparzellen und damit aufwendigerer Bewirtschaftung sowie höheren Kosten beim Unterhalt. Die landwirtschaftliche Produktion wird so geschwächt, was zu mehr Nahrungsmittelimporten führt. Dabei haben gerade die letzten Jahre mit der Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine gezeigt, wie wichtig eine ausreichende Selbstversorgung ist. Ausserdem ist die Pflicht zur Sicherung des Kulturlandes für die Gewährleistung der Lebensmittelversorgung auch in der Bundesverfassung verankert.

Biodiversität nimmt weiterhin zu
Ein derart strenger Massstab für den Verbleib einer Eindolung ist überdies nicht notwendig, da die Biodiversitätsförderfläche gemessen an der landwirtschaftlichen Nutzfläche über alle Zonen hinweg mittlerweile gemäss Agrarbericht 2022 rund 17.1 Prozent beträgt. Werden die Hochstamm-Feldostbäume sowie die Einzelbäume und Alleen mitgerechnet, dann beträgt der Anteil gar 19%. Auch die Ziele bis 2021 bezüglich Qualität und Vernetzung der Biodiversitätsförderflächen im Rahmen der Agrarpolitik 2014 wurden bereits 2019 erreicht oder übertroffen.

Vorstoss bereit im 2019
Deshalb habe ich schon im Jahre 2019 eine Motion mit dem Ziel eingereicht, das Gewässerschutzgesetz anzupassen. Und zwar so, dass bei Ersatz von bestehenden Eindolungen und Überdeckungen bei Nachteilen für die landwirtschaftliche Nutzung oder bei Verlust von Kulturland Fliessgewässer eingedeckt oder eingedolt bleiben können. Aus der sehr strengen Regelung (erhebliche Nachteile) wäre eine etwas weniger strenge geworden, welche auch den Kulturlandverlust explizit berücksichtigt hätte.

Ständerat klärt vertieft ab
Der Ständerat entschied 2020, das Geschäft der zuständigen Kommission (UREK) zuzuweisen, welcher ich auch angehöre. Die Anhörungen von Stakeholdern und Abklärungen nahmen viel Zeit in Anspruch; es wurden zwei Berichte in Auftrag gegeben. Diese beiden Berichte sind auf der Parlamentshomepage öffentlich einsehbar sind. Bei den Berichten haben auch einige Kantone mitgewirkt, sie gaben an, dass ihnen die bestehende Rechtslage genügend Spielraum böte, pragmatische Lösungen zu finden. Die Mehrheit der Kommissionsmitglieder kam daraufhin zur Überzeugung, dass kein dringender Handlungsbedarf vorhanden sei.

Ich bedaure dies. Da mein Vorschlag zurückhaltend formuliert war und so den Stellenwert der landwirtschaftlichen Produktion bei der Güterabwägung verbessert hätte. Mit der aktuellen Regelung sind die Landwirte zu sehr dem Wohlwollen der einzelnen Kantone ausgesetzt. Auch wurde das eigentliche Konfliktpotential von den Gegnern meiner Motion meiner Ansicht nach unterschätzt. So betont der Kanton Solothurn im Bericht «Vollzugspraxis der Kantone beim Ersatz bestehender Eindolungen im Landwirtschaftsgebiet» zwar, dass stets nach einvernehmlichen Lösungen gesucht werde. Es seien nie Konflikte aufgetreten, welche bis ans Bundesgericht weitergezogen wurden. Dabei ist aber zu beachten, dass ein Gang bis ans Bundesgericht mit erheblichen Kosten und weiteren Aufwänden verbunden ist, und daher von vielen Betroffenen gescheut wird.

Bewährungsprobe steht noch aus
Überdies stehen die grossen Herausforderungen noch bevor. Denn viele Eindolungen werden erst in den kommenden Jahren ersetzt werden müssen. Dies ist angesichts der Bestrebungen, den Selbstversorgungsgrad zu erhöhen, und der Tatsache, dass aufgrund des hohen Bevölkerungswachstums der Lebensmittelbedarf jedes Jahr steigt, nicht tragbar. Es ist daher geboten, die Vollzugspraxis der Kantone genau zu verfolgen. Schliesslich haben zumindest die befragten Kantone in den veröffentlichen Berichten versichert, den Anliegen der Landwirtschaft auch mit der bestehenden Gesetzeslage genügend Rechnung zu tragen. Darauf sind sie zu behaften. Sollte sich zeigen, dass Ausnahmebewilligungen zu restriktiv gewährt werden sollten, und die landwirtschaftliche Produktion dadurch erschwert wird, wird ein erneuter Vorstoss von Nöten sein.

Hansjörg Knecht
Ständerat, Leibstadt