Schätzungswesen: Teils massive Wertsteigerungen zu erwarten

28.04.2022

Ein Verwaltungsgerichtsurteil vom 16. September 2020 verpflichtet den Kanton Aargau, die Eigenmietwertbesteuerung anzupassen. Auch die Vermögenssteuerwerte müssen angepasst werden, da diese auf Wertbasis 1998 basieren und nicht dem aktuellen Verkehrswert entsprechen, was dem Steuerharmonisierungsgesetz widerspricht.

Aktuell läuft die Vernehmlassung zur neuen Strategie Schätzungswesen des Kantons Aargau. Der Vorstand des BVA wird sich anlässlich seiner nächsten Sitzung vertieft mit dieser Thematik auseinandersetzen.

Für nichtlandwirtschaftliche Liegenschaften soll ein neues Schätzungsmodell eingeführt werden. Dieses basiert auf Landwert und Gebäudesachwert. Diese Daten werden aus bereits bestehenden Datenbanken abgezogen. Zur Anpassung der Sachwerte an die jeweilige Lage auf dem Grundstücksmarkt werden aus Kaufpreissammlungen sogenannte Marktanpassungsfaktoren (MAF) mittels angewandter Statistik bestimmt. Von diesem «Marktwert» wird die «Unschärfe» in Abzug gebracht und fertig ist der Steuerwert. Ebenfalls mittels angewandter Statistik wird ein empirischer Zinssatz (EZS) ermittelt. Multipliziert man den «Marktwert» mit dem «EZS» erhält man den Mietwert, wovon 60 % dem neuen Eigenmietwert entspricht.

Landwirtschaftlich genutzte Liegenschaften
Die letzte allgemeine Neuschätzung der landwirtschaftlichen Grundstücke wurde vor über 20 Jahren durchgeführt. Seither wurde die Anleitung für die Schätzung des landwirtschaftlichen Ertragswerts zweimal angepasst (01.02.2004 und 01.04.2018). 2018 wurde die Schätzung nach Modulsystem eingeführt. Dieses neue System führt dazu, dass die heute vorhandenen Daten in den aargauischen Schätzungsunterlagen nicht mehr kompatibel mit der neuen Schätzungsanleitung sind. Daher muss ein Betrieb folglich zwingend besichtigt und die notwendigen Daten neu aufgenommen werden.

Stufenweise Neuschätzung bei den landwirtschaftlichen Grundstücken, das Siegermodell
Für die notwendige Neuschätzung wurden verschiedene Verfahren geprüft und verglichen. Der Regierungsrat ist zum Schluss gekommen, dass eine stufenweise Neuschätzung die Anforderungen am besten erfüllt. Dabei soll in einem ersten Schritt der heutige Steuerwert und der heutige Eigenmietwert mittels eines Multiplikators angepasst werden. Dieser Multiplikator wird für jeden Betrieb einzeln berechnet. Dafür werden fünf bis sieben Faktoren/Kriterien definiert werden müssen, mit welchen die Betriebe punktiert werden (z.B. geografische Lage, Baujahr(zehnt), …). Das Ziel der ersten Anpassung ist, dass die Werte annähernd dort hinkommen, wo die Werte nach neuer Schätzungsanleitung zu liegen kommen werden.

Liegt nach der pauschalen Anpassung ein Einzelschätzungsgrund vor, so wird in einem zweiten Schritt die landwirtschaftliche Bewertung nach der aktuell gültigen Anleitung durchgeführt. In dieser zweiten Stufe wird der betroffene Betrieb komplett neu aufgenommen und bewertet.

Nur noch landwirtschaftliche Gewerbe mit Wohnraum nach landwirtschaftlichen Normen
Mit der Einführung der Anleitung für die Schätzung des landwirtschaftlichen Ertragswertes am 1. April 2018 wurde eingeführt, dass nur noch die Betriebsleiterwohnung eines landwirtschaftlichen Gewerbes gem. Art. 5 und 7 BGBB nach landwirtschaftlichen Normen bewertet werden kann. Alle Betriebe kleiner 1 SAK haben demnach keinen Anspruch auf Wohnraum nach landwirtschaftlichen Normen. Ebenso jeglicher Wohnraum ausserhalb der Betriebsleiterwohnung beim landwirtschaftlichen Gewerbe.

Teils massive Wertsteigerungen zu erwarten
Wird festgestellt, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb unterhalb der Gewerbegrenze liegt, hat er keinen Anspruch mehr auf Wohnraum nach landwirtschaftlichen Normen. Das führt dazu, dass er dem gleichen Schätzungsmodell wie nichtlandwirtschaftliche Liegenschaften (siehe oben) unterstellt wird. Bei diesen Betrieben rechnet das Kantonale Steueramt mit Erhöhungen von 30 % - 35 % im Durchschnitt, mit grösseren Abweichungen in Einzelfällen.

Ivo Rey
Abteilungsleiter BVA Treuhand & Beratung